Liebe Rütlischützinnen, liebe Rütlischützen, mit dem wunderschönen 162. Rütlischiessen vom 5. November beginnt auch bereits das 163. Rütlijahr und so lade ich Euch bereits jetzt zum 163. Rütlischiessen ein, welches dann am 4. November 2026, bei hoffentlich ebenso idealen Bedingungen, durchgeführt wird. Ich freue mich auf dieses freundeidgenössische Treffen, bei dem wir uns erneut in kameradschaftlichem Wettkampf an diesem einmaligen Ort messen dürfen.

Egal von wo und zu welchem Zeitpunkt man sich der Rütliwiese nähert, kaum hat man sie betreten, wird man von der Schönheit der Landschaft umfangen. Das weite Grün, das in den See hinabfällt, das Farbenspiel des Wassers, in dem sich schneebedeckte Gipfel spiegeln, man kann kaum anders als innezuhalten und durchzuatmen. An diesem Ort wirkt ein besonderer Zauber, der nicht drängt, sondern öffnet – Die liebliche Wiese vermag uns, je nach Befindlichkeit oder Lebenslage, immer wieder neu in ihren Bann zu ziehen. Sie tut es für jeden von uns in anderer Weise und immer wieder neu.
Die Mutter Elias Canettis war eine Blumenliebhaberin, die vor allem duftende Pflanzen liebte. In der Erzählung «Die gerettete Zunge» erinnert sich der Autor an einen Besuch des Rütlis mit seiner Mutter: «Von der Rütliwiese aber war sie hingerissen: ‹Kein Wunder, dass die Schweiz hier entstanden ist! Unter diesem Zyklamen-Geruch hätte ich alles geschworen. Die haben schon gewusst, was sie verteidigen. Für diesen Duft wäre ich bereit, mein Leben hinzugeben.›»
In dieser Szene wird die Magie des Ortes spürbar, eine Kraft, der sich die wenigsten entziehen können, hier rührt einen etwas an und keinen gleich.Worthülsen wie «mythischer Ursprungsort» oder «Projektionsfläche nationaler Erinnerungskultur» werden dem Ort und seiner eigenen Wirkung kaum gerecht.
Es ist eine Ausstrahlung spürbar, egal ob man allein auf der frisch verschneiten Wiese steht, oder mitten im Festbetrieb des alljährlichen Rütlischiessens. Unversehens ist dieses Gefühl da, ein Windhauch, eine ziehende Wolke, oder, wie im Beispiel vorhin, der Duft einer Blume können es auslösen.
Die Geschichten, die mit dieser Wiese verbunden sind, lassen sich nicht ganz von ihr lösen. Aber es sind nicht die Schlachtrufe und die Heldensagen, die sie tragen, sondern die Kraft der Natur und der immerwährende Gedanke der Einigung.
Das Rütli wurde nach dem Sonderbundskrieg bewusst als Landschaftspark bewahrt, als Zeichen des Friedens und der Einigung. So ist ein Ort entstanden, der nicht trennt, sondern zusammenführt. Die Gründer des Rütlischiessens verstanden den Ort nicht in erster Linie als Denkmal martialischer Stärke, sondern als Schauplatz der Begegnung und des gemeinsamen Erinnerns an die Lebensleistungen vieler Generationen, welche das Werden dieses Landes ermöglichten.
In diesem Sinne freue ich mich Euch alle am 4. November 2026 auf der Rütliwiese zu treffen, um diesen einmaligen Ort gemeinsam zu feiern und zu geniessen.
